Weltweit können 800 Millionen Menschen weder lesen noch schreiben – 2/3 davon sind Frauen. Ein großer Teil der Menschheit hat also keinerlei Zugriff auf lebenspraktisches Wissen, keinen Zugang zu Themen wie Gesundheit, Ernährung und ökologische Landwirtschaft. Ein Problem, das wir heute lösen können – durch freies Hörwissen und kollaboratives Publizieren im Stil von Wikipedia.
Seit 2016 arbeiten wir an diesem Thema. Mit unserer Non-Profit Organisation URIDU haben wir seitdem kollaborative Strukturen und Technologien entwickelt, um Hörwissen überall verfügbar zu machen. Und wenn wir „überall“ sagen, dann meinen wir das auch so. Selbst in den Regenwäldern des Kongo können wir zum Beispiel nomadisch lebende Stämme mit unserem solarbetriebenen Audioplayer erreichen. In diesen Tagen des 21. Jahrhunderts gibt es keine Ausreden mehr. Wenn heutzutage noch immer über 2.000 Kinder jeden Tag an vermeidbaren Durchfallerkrankungen sterben, dann haben wir uns einfach nicht genug angestrengt. Wir können und müssen Müttern dieses Wissen frei zugänglich machen. Das muss unser Anspruch sein.
63 Sprachen, rund 5.000 Audiodateien: Wo Audiopedia aktuell steht
In den letzten Jahren haben wir Prozesse geschaffen, um Gesundheitswissen zu strukturieren, crowdbasiert zu übersetzen und aufzunehmen. Mittlerweile zählt Audiopedia knapp 5.000 Audiodateien in 63 Sprachen. Unsere Pilotprojekte in Ost-Afrika haben uns aber auch gezeigt, das wir neben diesem „Top-Down“-Ansatz eine Plattform schaffen müssen, die lokalen Organisationen erlaubt, ihre eigenen Inhalte zu publizieren und zu teilen. Neben dem generischen Wissen, das wir heute vorhalten, muss es Strukturen geben, die lokales und indigenes Wissen abbilden.
Man könnte nämlich durchaus sagen, dass wir Wissen unterschiedlich wahrnehmen, je nachdem, ob es schriftlich oder mündlich tradiert wird. Neben der mächtigen Gutenberg-Galaxis wirkt das über Jahrhunderte oral tradierte, indigene Wissen wie ein Wissen zweiter Klasse. Und es droht unter diesem Druck mitsamt seiner Kultur und Sprache zu verschwinden.
Das Ziel: Eine globale Plattform für Hörwissen
Zeit, dass sich was dreht! Unser großes Ziel im Rahmen des UNLOCK Accelerators ist es, dem Hörwissen eine globale Plattform, einen ihm angemessenen Raum zu schaffen. Dazu wollen wir die heutzutage recht statische Audiopedia in eine „wikifizierte“, stärker lokalisierte Version weiterentwickeln. Eine Audiopedia also, die dort gestaltet wird, wo sie wirken soll. Vor Ort, im globalen Süden.
Gleich zu Beginn des Förderprogramms kam es zu etwas, das man durchaus als glücklichen Zufall bezeichnen könnte. Zum ersten Mal warfen wir einen genauen Blick auf Mediawiki, die frei verfügbare Verwaltungssoftware, auf der Wikipedia basiert. Und uns wurde schnell klar, dass wir schon mit kleinen Änderungen eine Plattform daraus schaffen könnten, die genau unseren Ansprüchen gerecht wird. Das Großartige an Mediawiki ist, dass man auf einer Infrastruktur aufbaut, die seit 17 Jahren unter maximaler Belastung genau das tut, was uns vorschwebt – nur eben nicht für Hörwissen. Ein paar kleine Handgriffe, und wir stehen mit Audiopedia auf den Schultern von Giganten.
Zusammenarbeit mit lokalen Partner-Organisationen
Das erlaubt es uns, im Laufe des Accelerators ein „Minimum Viable Product“ zu schaffen, welches unsere bisherige Plattform in puncto Funktionalität bei weitem übertrifft. Dank einer passenden Mediawiki-„Extension“ können wir etwa für jedes Audio einen passenden QR Code generieren, welcher einen einfachen Zugang zu dem jeweiligen Hörwissen liefert. Damit werden wir zum Beispiel im brasilianischen Lepra-Museum „Luiz Verganim“ Ausstellungsstücke mit Originalinterviews mit Leprapatientinnen und -patienten verbinden und dadurch die Krankheit für die Besucherinnen und Besucher greifbar machen (ja, Lepra existiert noch – allein in Brasilien gibt es 30.000 Neuerkrankungen jedes Jahr).
Wie man sieht, planen wir für unsere „wikifizierte“ Audiopedia schon in die Zukunft. Neben einem Pilotprojekt in Brasilien wollen wir auch in Nigeria an den Start gehen. In beiden Fällen werden wir eng mit Universitäten und lokalen NGOs zusammenarbeiten. Denn im Gegensatz zu Wikipedia braucht es oftmals Unterstützung, um das Hörwissen dorthin zu bringen, wo es am dringendsten gebraucht wird. Dorthin, wo Menschen wissen wollen, aber nicht können.
Wenn ihr mehr über unser Projekt erfahren wollt, findet ihr hier alle Infos.