24.09.2019
Pressemitteilung: Upload-Filter
Beispiellose Last-Minute-Änderungen
Berlin, 15.03.2018. Änderungen in letzter Minute und noch dazu aus der Feder eines Kommissionsmitarbeiters: Der Berichterstatter des Europaparlaments zur Urheberrechtsreform düpiert seinen eigenen Ausschuss. Wikimedia Deutschland fordert Übernahme der Formulierungen aus dem Binnenmarktsausschuss.
Die größte Urheberrechtsreform in Europa seit über 15 Jahren wird
Ende April beschlossen. Zu den umstrittensten Teilen der Reform gehört
Artikel 13, der die Haftung von Online-Plattformen grundlegend verändern
könnte, indem Betreiber verpflichtet werden, Nutzer-Uploads umfassend
vorzufiltern. Ein Problem für Wikipedia und alle Plattformen, deren
Herzstück Communitys sind. Seit rund eineinhalb Jahren hagelt es deshalb Kritik auch aus Deutschland
an den Upload-Filter-Plänen. Die Entscheidung darüber liegt maßgeblich
in den Händen eines einzelnen Abgeordneten, MEP Axel Voss (CDU / EVP),
als Berichterstatter für die Reform innerhalb des Rechtsausschusses des
Europaparlaments. Am 5. März kam aus seinem Büro ein Kompromissvorschlag
zu Artikel 13, der wenigstens die Interpretation zuließ, dass Filter
nur eine unter mehreren Optionen für Plattformbetreiber sein könnten. In
einer beispiellosen Aktion, die die Gewaltenteilung untergräbt, hat
Voss nun einen Tag vor dem heutigen Treffen mit weiteren im
Rechtsausschuss vertretenen Fraktionen (Schattenberichterstatter) eine
weitere Textfassung vorgelegt, die alle bis dato verhandelten
Kompromisse missachtet.
Eine solche “Last minute”-Aktion ist absolut unüblich. Davon
abgesehen hat der federführende Binnenmarktausschuss (IMCO) bereits eine
im Plenum des Europaparlaments durchaus mehrheitsfähige Textfassung beschlossen.
Alarmierend ist jedoch vor allem, dass nicht der Berichterstatter Voss
selbst oder sein Team die Textänderung gemacht haben, sondern eine
Beamtin der EU-Kommission – die noch dazu auch als Autorin bei Texten
des Rates der EU zum selben Thema auftaucht. Das geht aus den Metadaten
des Textdokuments hervor, wie die Europabgeordnete Julia Reda
aufgezeigt hat. Das Problem: Richtlinien der EU werden zwar auf
Initiative der EU-Kommission, gesetzgeberisch aber offiziell durch das
Europaparlament und den Rat der EU erlassen. Meinungsverschiedenheiten
zwischen diesen drei Institutionen münden dann in den sogenannten
Tri(a)log. Diese Art der Aufgaben- und Gewaltenteilung wird
konterkariert, wenn wie in diesem Fall hinter allen drei Institutionen
dieselben Personen die Texte verfassen. Ein massiver Vertrauenschaden
für die EU-Institutionen.
John Weitzmann, Leiter Politik & Recht bei Wikimedia Deutschland:
“Wir erwarten von Berichterstatter Voss jetzt, für Aufklärung zu
sorgen, seine Befassung mit Artikel 13 ruhen zu lassen und dem Plenum
des Europaparlaments gemeinsam mit dem IMCO-Ausschuss einzig dessen Fassung des Artikels vorzuschlagen. So verlangt es ohnehin Artikel 54 der Geschäftsordnung des Europaparlaments, und nur so lässt sich weiterer Schaden für die Glaubwürdigkeit des JURI-Ausschusses abwenden.”
Im Übrigen, so Weitzmann, hebelt auch der Kompromissvorschlag vom 5.
März die Haftungsregeln der eCommerce-Richtlinie faktisch aus. Diese
beschriebenen Filtermaßnahmen betreffen letztlich alle Arten von
Online-Diensten mit Upload-Möglichkeit. Nicht einmal die Wikipedia würde
verschont, weil deren Medienarchiv Wikimedia Commons in jedem Falle mit
erfasst wäre, auch wenn im Textvorschlag der Versuch unternommen wurde,
“Online-Enzyklopädien” außen vor zu lassen.
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