24.09.2019
Pressemitteilung: Sache Richard Wagner
Gemeinfreie Werke müssen für alle verfügbar sein: Rechtsstreit geht in die nächste Instanz zum Bundesgerichtshof
Karlsruhe, 09.06.2017. Sind originalgetreue Fotos von gemeinfreien Werken rechtlich schutzfähig? Kann es also möglich sein, dass ein exaktes digitales Abbild eines gemeinfreien Gemäldes mehr als ein digitales Vervielfältigungsstück ist und daran neue Rechte bestehen? Und dürfen öffentlich finanzierte Museen solche Rechte geltend machen, sodass die Digitalisate nicht von der Allgemeinheit genutzt werden können? Um diese Fragen einer “Schutzrechtsverlängerung durch die Hintertür” geht es in einem Verfahren, das jetzt in die finale Instanz an den Bundesgerichtshof gehen wird. Die Entscheidung wird grundlegende Auswirkungen auf den Umgang mit dem kulturellen Erbe haben, nicht nur für die Wikipedia-Community in Deutschland.
Im Fall der Klage der Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen gegen
einen Wikipedianer wegen Upload von Fotos gemeinfreier Werke auf
Wikimedia Commons hat das Oberlandesgericht Stuttgart nun das Urteil des
Berufungsverfahrens gefällt: Wie in einer vorherigen Klage vor dem
Landgericht Stuttgart haben sich die Museen erneut durchgesetzt. Dem
noch nicht rechtskräftigen Urteil des OLG Stuttgart zufolge verletzt der
Wikipedianer durch das Hochladen der Bilder die Rechte der Museen bzw.
ihres Reproduktionsfotografen.
“Die Folgen dieser Rechtsprechung sind gravierend”, so Abraham
Taherivand, Geschäftsführender Vorstand von Wikimedia Deutschland, “denn
sie führt dazu, dass auch historische Werke, an denen keinerlei
Urheberrechte mehr bestehen, der Allgemeinheit vorenthalten werden.”
Diese Werke seien schlicht verloren für jegliche digitale Verbreitung
und damit zukünftig nicht mehr im gesellschaftlichen Bewusstsein. Das
vom Rechtsstreit mit betroffene berühmte Porträt Richard Wagners etwa könne in keinem freien Wissensprojekt genutzt werden, wenn dieses Urteil das letzte Wort wäre.
“Unser aller Recht, unser gemeinsames kulturelles Erbe zu nutzen,
muss hier den Verboten durch Institutionen weichen, die wir alle mit
Steuergeldern finanzieren”, sagt John Weitzmann, Referent für Politik
und Recht bei Wikimedia Deutschland. Das könne nicht richtig sein.
Gerade wenn möglichst akkurate Kopien in Form von reproduzierten Fotos
gefertigt werden, seien diese einzig als digitale
Vervielfältigungsstücke anzusehen und rechtlich entsprechend frei
nutzbar. Irgendeine Originalität sei, trotz des durchaus hohen Aufwands
für Reprofotos, dort gerade nicht erkennbar, sodass es auch keine
Grundlage für Foto-Schutzrechte gebe.
Wikimedia Deutschland wird den verklagten Uploader dabei
unterstützen, den Fall nun zur Revision vor den Bundesgerichtshof zu
bringen. Das OLG Stuttgart hat die Revision im Urteil zugelassen. Dann
wird das höchste Zivilgericht Deutschlands zu entscheiden haben, wie
ernst der Ausdruck “gemeinfrei” wirklich zu nehmen ist und ob sich die
Interessen der Allgemeinheit gegen die Kontrollvorstellungen der von ihr
beauftragten und finanzierten Institutionen behaupten können.
Auch die Wikimedia Foundation ist – als Diensteanbieterin des Medienarchivs Wikimedia Commons – in einem Parallelverfahren
wegen derselben Uploads zur Unterlassung verurteilt worden. Auch sie
ist in Berufung gegangen, die derzeit noch beim Kammergericht Berlin
anhängig ist.
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