29.04.2020
Offener Brief zu EU-Maßnahmen gegen terroristische Inhalte im Netz – Wikimedia fordert mehr Einsatz der Bundesregierung für Freiheitsrechte
“Wikimedia, wie alle beteiligten Organisationen, setzt sich für den freien Zugang zu Informationen und freie Meinungsäußerung ein. Daher sind wir überzeugt, dass sowohl die Begriffsdefinitionen als auch der Anwendungsbereich der vorgeschlagenen Verordnung diese Freiheiten unverhältnismäßig einschränken“, führt Abraham Taherivand, Geschäftsführender Vorstand von Wikimedia Deutschland, aus.
Besagter Entwurf wurde im Herbst 2018 von der EU-Kommission vorgestellt und führte in der Vergangenheit bereits zu Verstimmungen zwischen EU-Kommission, Europaparlament und EU-Mitgliedstaaten. Das Ziel des Zurückdrängens von Terrorpropaganda im Netz sei richtig, mit dem offenen Brief fordern Wikimedia und die anderen Unterzeichnenden die Bundesregierung jedoch auf, für umfassende Nachbesserungen im Sinne der freiheitlich demokratischen Grundordnung und der Kommunikationsgrundrechte zu sorgen.
Wikipedia und andere freie Wissensprojekte fallen vollständig in den Geltungsbereich der vorgeschlagenen EU-Verordnung. Auch journalistische Arbeit und Whistleblowing sind nicht von der Regelung ausgenommen und können durch die Reichweite der Verordnung beeinträchtigt werden. Wikimedia und die beteiligten Organisationen fordern die deutsche Bundesregierung daher wie folgt auf, in der Trilog-Debatte aktiv für Freiheitsrechte einzutreten:
- Die teils schwammigen Definitionen öffnen einem Missbrauch Tür und Tor, daher müsse vor allem die Definition terroristischer Kommunikationsinhalte auf offenkundig illegale Inhalte beschränkt werden.
- Es brauche zudem Ausnahmen für künstlerische, journalistische, Bildungs- und Forschungszwecke und für Zwecke der Bewusstseinsbildung gegen terroristische Aktivitäten.
- Auch dürften nicht großflächig Inhalte in eine Filterung geraten, die Ausdruck von polemischen oder kontroversen Ansichten innerhalb der öffentlichen Debatte sind.
- Ganz aus dem Anwendungsbereich der Verordnung sollten Anbieter von Cloud-Infrastruktur, Cloud-Anbieter und Anbieter elektronischer Kommunikationsdienste herausgenommen werden, sowie, analog zu § 1 NetzDG, auch nichtkommerzielle Plattformen und Plattformen mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten.
Die Bundesregierung müsse sich dafür stark machen, dass die Terreg-Verordnung nicht zu massenhafter Blockierung rechtlich legitimer Äußerungen führe, so die Initiierenden des Briefes weiter. Dementsprechend wird eine menschliche Aufsicht gefordert und die Überprüfbarkeit jeder Entscheidung, Inhalte zu entfernen oder den Zugang zu ihnen zu sperren. Diese Entscheidungen im Rahmen sogenannter Referrals in großem Stile privaten Plattformbetreibern zu überlassen, sei nicht der richtige Weg. Die beteiligten Organisationen bestehen auf einem Verbleib der Schlüsselbefugnisse bei Justizbehörden, die durch angemessene Rechtsmittel und Transparenzverpflichtungen ergänzt werden.