20.03.2024
Offener Brief von 23 Organisationen: Protest gegen die Beschädigung des Amtes des/der Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit
An die Bundesregierung, inbesondere die Bundesministerin des Innern und für Heimat, Frau Nancy Faeser, den Chef des Kanzleramtes, Herrn Wolfgang Schmidt,
An die Fraktionsvorsitzenden der Parteien SPD, Bündnis90/Die Grünen, FDP, Herrn Rolf Mützenich MdB, Frau Katharina Dröge MdB, Frau Britta Hasselmann MdB und Herrn Christian Dürr MdB,
An die Präsidentin des Deutschen Bundestages, Frau Bärbel Bas MdB
Sehr geehrte Damen und Herren,
Die Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland hat sich in ihrem Koalitionsvertrag 2021-2025 “Mehr Fortschritt wagen – Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit” zur Aufgabe gemacht, den Datenschutz zu stärken. Ihre eigenen Worte lauten auf Seite 104: “Den Rechtsschutz sowie die Datenaufsicht durch den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) stärken wir deutlich.” Die Vorgänge in Bezug auf die Neu- oder Weiterbesetzung des Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (BfDI) schaden dem Amt jedoch in noch nie dagewesener Weise. Eine Unklarheit über die Fortführung der Amtsgeschäfte schwächt den gesamten Datenschutz in Bund und Ländern.
Die Vorgänge in Bezug auf die Neu- oder Weiterbesetzung des Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (BfDI) schaden dem Amt jedoch in noch nie dagewesener Weise. Eine Unklarheit über die Fortführung der Amtsgeschäfte schwächt den gesamten Datenschutz in Bund und Ländern. Nichts fügt dem Datenschutz in Deutschland jedoch einen größeren und nachhaltigeren Schaden zu, als das verheerende Zeichen, dass der BfDI sich bei seinen unabhängigen Amtsgeschäften nicht sicher vor politischer Sanktion und damit vor politischer Einflussnahme sein kann. Es entsteht der Eindruck, der bisherige Amtsinhaber könnte sich eine mögliche zweite Amtszeit nicht durch den Einsatz für die Sache erarbeiten, sondern insbesondere durch politische Gefügigkeit. So erginge es jedoch auch jeder nachfolgenden Person im Amt der oder des BfDI.
Laut DSGVO und BDSG handelt die Aufsichtsbehörde bei der Erfüllung ihrer Aufgaben und bei der Ausübung ihrer Befugnisse völlig unabhängig. Sie oder er unterliegt weder direkter noch indirekter Beeinflussung von außen und ersucht weder um Weisung noch nimmt sie oder er Weisungen entgegen. Zum Verfahren zur Besetzung der Datenschutzaufsicht führt die DSGVO in Art. 53 aus: “Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass jedes Mitglied ihrer Aufsichtsbehörden im Wege eines transparenten Verfahrens ernannt wird.“ Ein transparentes Verfahren zur Benennung ist in Deutschland aktuell nicht vorgesehen. Dieser Umstand wird von Fachverbänden zu recht bemängelt. Die aktuell entstandene Verunsicherung ist eine unmittelbare Auswirkung dieser fehlenden Transparenz.
Es ist bekannt, dass sich der kommissarisch amtierende BfDI für eine weitere Amtszeit bewirbt. Es gibt keine Äußerung der Bundesregierung, warum eine nochmalige Benennung nicht geplant ist oder wer anstelle des amtierenden BfDI der Vorschlag ist. Ein transparentes Verfahren gibt es nicht. Dies gibt Raum für Spekulationen, die der Person, der Behörde, dem Datenschutz als solchem und nicht zuletzt auch dieser Bundesregierung selbst schaden.
Die unterschreibenden Organisationen eint die Sorge um die Unabhängigkeit des BfDI und damit um die Effektivität des Datenschutzes in Deutschland.
Wir fordern die Bundesregierung und den Bundestag auf, den bereits in erheblicher Weise entstandenen Schaden nach allen Kräften zu begrenzen und schnellstmöglich Klarheit über die Fortführung zu schaffen. Um die Beschädigung nicht als Dauerzustand fortzusetzen, müssen außerdem die Weichen für die Stärkung der Unabhängigkeit des Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit durch das Festschreiben eines transparenten Benennungsverfahrens gestellt werden.
Mit freundlichen Grüßen
01. Ann Cathrin Riedel und Teresa Widlok für LOAD e.V.
02. Caroline Krohn für die AG Nachhaltige Digitalisierung
03. Padeluun für Digitalcourage e.V.
04. Lilli Iliev für Wikimedia Deutschland – Gesellschaft zur Förderung Freien Wissens e. V.
05. Henriette Litta für die Open Knowledge Foundation Deutschland
06. Bianca Kastl für den Innovationsverbund Öffentliche Gesundheit e.V. (InÖG)
07. Max Schrems für noyb – Europäisches Zentrum für digitale Rechte
08. Dr. Stefan Brink für das Wissenschaftliche Institut für die Digitalisierung der Arbeitswelt, wida
09. Christine Regitz für die Gesellschaft für Informatik e.V.
10. Prof. Dr. Daniel Loebenberger für den Fachbereich Sicherheit – Schutz und Zuverlässigkeit der Gesellschaft für Informatik e.V. / Fraunhofer AISEC
11. Dr. Martin Weigele für den Arbeitskreis Datenschutz und IT-Sicherheit der Gesellschaft für Informatik e.V.
12. Elisa Lindinger für SUPERRR Lab
13. Prof. Dr. Dennis-Kenji Kipker für das cyberintelligence.institute
14. Matthias Spielkamp für die AW AlgorithmWatch gGmbH
15. Jennifer Herbert für Netzbegrünung e.V.
16. Stefan Hügel & Rainer Rehak für das Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung
17. Chaos Computer Club e.V. (CCC)
18. Svea Windwehr für D64 – Zentrum für Digitalen Fortschritt
19. Johannes Näder für die Free Software Foundation Europe e.V.
20. Frederick Richter, LLM für die Stiftung Datenschutz
21. Peter Schaar für die Europäische Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz (EAID), ehemaliger Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit
22. Tom Jennissen für die Digitale Gesellschaft e.V.
23. Robert Peter, Weizenbaum Institut e.V.