Das ABC des Freien Wissens
Wikimedia Deutschland lädt seit 2014 regelmäßig Fachleute aus Politik, Kultur und Wissenschaft zum Salongespräch ein. Unter dem Motto Das ABC des Freien Wissens buchstabieren wir verschiedene gesellschaftspolitische Themen durch, die mit der Verbreitung Freien Wissens verbunden sind – von der Entwicklung des Buchmarktes über Open Access in der Wissenschaft bis zur digitalpolitischen Agenda der Bundesregierung.
T=Technophilie. Wird Technik zum Allheilmittel der Politik?
Die Art der Internetnutzung ist in ständiger Transformation und stellt damit die Politik vor immer komplexere Herausforderungen. Uploadfilter statt Entscheidung durch Menschen, Hintertüren für Messenger zur Umgehung von Verschlüsselung oder Überwachung mit Gesichtserkennung: Immer neue Vorstöße zeigen, dass die Politik verstärkt auf Technologien zur Lösung politischer Probleme setzt. Die Sorge: Kontrolle soll dadurch skalierbar gemacht werden, Freiheitsrechte werden ausgehöhlt.
Wir beschäftigten uns mit der Frage, bis zu welchem Punkt technische Lösungen sinnvoll als Instrumente zur Durchsetzung politischer Anliegen dienen können. Wie beeinflusst diese Entwicklung die Machtverhältnisse zwischen Individuum, Plattformen und Politik und was bedeutet sie für die Zukunft des freien Netzes? Fotos der Veranstaltung auf Wikimedia Commons
Kurzinterviews mit Julia Krüger, Christoph Kappes und Chris Köver
V=Vertrauen. Wer rettet die Demokratie – Institutionen oder Communities?
Das Netz hat Räume für demokratische Teilhabe geschaffen. Doch was, wenn es zugleich das Vertrauen in Informationen und Institutionen so weit schwächt, dass ein gesellschaftsweit gültiger Kompromiss unmöglich wird? Braucht ein solcher Kompromiss überhaupt eine universell akzeptierte Wahrheit oder macht es eigentlich nichts, wenn sich in Zukunft jede Teil-Gesellschaft die Welt so redet, wie sie ihr gefällt? Und sind die Institutionen der Demokratie Mitverursacherinnen, Betroffene oder nur Beobachterinnen dieser Entwicklungen? Sind Netz-Communities die eigentlichen Hüterinnen zumindest irgendeines Wahrheitskerns und in Zukunft das, was Institutionen gestern waren, oder sind sie damit überfordert?
Verstärkt wird auf selbstorganisierte, unabhängige Plattformen wie Wikipedia als Orientierungsgeberin geschaut. Doch was können Communities wirklich leisten, wenn es um die “demokratisierte Wahrheit” im Netz geht? Wo sind sie besonders gut und sollten gesellschaftlich viel größere Rollen spielen, wo sind sie besonders schlecht? Können Communities unterwandert werden?
Die Veranstaltung fand während der internationalen OPEN GOV WEEK im März 2019 in Berlin statt, bei der über 100 Regierungen gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen Organisationen sowie Bürgerinnen und Bürgern neue Wege suchen zu mehr Vertrauenswürdigkeit und Qualität von Regierungshandeln, vor allem durch mehr Transparenz und Partizipation.
S=Sprachgewalt. Frauen im Netz
Es gab einmal die Utopie, der digitale Raum ermögliche eine demokratischere und gerechtere Gesellschaft. Heute ist die Hoffnung verflogen, die Offenheit im Netz schaffe eine gleichmäßigere Verteilung der Sprachgewalt und damit der gesellschaftlichen Gestaltungsmacht aller Menschen. Die Möglichkeit zur freien Partizipation und Wortmeldung im Netz ermöglicht kollaborative Wissensprojekte wie Wikipedia, bringt aber auch Exzesse sprachlicher Gewalt zutage, die eine echte Gefahr für die Meinungsfreiheit und Vielfalt im Netz bedeuten. Auch im Internet gilt: Sprache ist Macht, und die Frage “Wer spricht?” bleibt als uralter Topos auch im Informationszeitalter die zentrale Frage gesellschaftlicher Machtorganisation.
Klar ist: Das Netz spiegelt weitgehend die Herrschafts- und Machtstrukturen der analogen Welt wieder. Der Umgang mit ihnen erfordert jedoch medienspezifische Strategien, die sich gerade erst entwickeln. Was brauchen wir, um die einstige Vision von mehr Teilhabe, Gerechtigkeit und Repräsentation aller Menschen im Netz zu verwirklichen?
Mehr dazu auch im Gastbeitrag für das Deutsche Digitale Frauenarchiv: “Frauen im Netz. Über Sprachgewalt und gewaltvolle Sprache”