Gemeinschaftliches Verwalten und Erneuern
Lina Farid
Die Perspektive der Nutzenden ist für die Weiterentwicklung eines Produktes essenziell
Für digitalpolitische Vorhaben wie Mein Bildungsraum gilt erst einmal das gleiche wie für kommerzielle digitale Produkte: Die Nutzenden müssen stets im Vordergrund stehen, das Produkt sollte qualitativ hochwertig sein und ein bestehendes Problem lösen. Nutzende sollten in die relevanten Schritte der (Weiter-)Entwicklung einbezogen werden. Denn Produktentwickler*innen und Nutzende haben nicht unbedingt die gleiche Perspektive.
Man muss verstehen, wer die Zielgruppe, bzw. die Anwender*innen sind und was sie beschäftigt. Hat man das erfasst, lässt sich das Kernproblem erkennen und beschreiben. Im nächsten Schritt folgt die Ideen- und Lösungsfindung. Erst wenn man weiß, dass eine bestimmte Idee passend und sinnvoll ist und damit zusammenhängende Risiken wie fehlerhafte Vermutungen und Biases minimiert wurden, startet man mit der Implementierung eines Prototypen. Das wäre der Best Practice-Ablauf, um ein nützliches und effektives Produkt zu erhalten.
Vorbild für die kontinuierliche Einbeziehung von Nutzenden ist das Team „Technische Wünsche“ der Wikipedia
Ein Beispiel für das Gelingen eines solchen Prozesses ist das Team „Technische Wünsche“ bei Wikimedia Deutschland e V. Dieses Team unterstützt die deutschen Wikipedianer*innen bei ihrer Arbeit und findet heraus, welche Schwierigkeiten beim Editieren in der Wikipedia auftreten. Dafür werden Gespräche geführt und Diskussionsseiten angelegt. Anhand der gewonnenen Daten identifiziert und priorisiert das Team die dringlichsten technischen Probleme. Nach diesen Schritten geht es – wiederum mit regelmäßigen Feedback-Schleifen – in die Ideenfindung. Es werden Prototypen entwickelt und von kleinen Nutzendengruppen getestet, die möglichst divers aufgestellt sind. Alle getroffenen Entscheidungen bleiben transparent.
Abbildung: Die Seite Wunschparkplatz in der Wikipedia, auf der Wikipedianer*innen Wünsche für technische Weiterentwicklungen der Wikipedia eingeben können.
Im Team „Technische Wünsche” gibt es den sogenannten Wunschparkplatz, wo Wikipedianer*innen uns Probleme und Änderungswünsche mitteilen können. Das hilft sehr dabei, konstant nah an der Zielgruppe dran zu sein.Lina Farid
Der geplante Stakeholder-Kreis wurde nie umgesetzt
Das Konzept „Technische Wünsche” ist nicht eins zu eins auf ein Vorhaben wie Mein Bildungsraum übertragbar. Aber bezüglich seiner starken Nutzer*innen- und Gemeinwohlorientierung könnte es ein Vorbild sein. Im Falle von Mein Bildungsraum war lange Zeit die Implementierung eines sogenannten Stakeholder-Kreises geplant. Dieser wurde allerdings nie umgesetzt.
Ein idealer Stakeholder-Kreis würde eng mit den Produktentwickler*innen zusammenarbeiten
Idealerweise hätten die Stakeholder in so einem Gremium verschiedene Fachexpertisen, sowohl inhaltlich als auch technisch. Das Gremium sollte die Produktentwickler*innen wie Coaches begleiten, beraten und empowern – statt über ihre Köpfe hinweg Entscheidungen zu treffen. Vom Prinzip her: „bottom-up” statt „top-down”. Bleibt die Frage der Verantwortlichkeit. Im besten Fall sollte die Zusammenarbeit zwischen dem Gremium und den Produktentwickler*innen „Hand in Hand“ verlaufen. Ein offener Dialog auf Augenhöhe ist hier wichtig.
Alle Entscheidungen, die im Team „Technische Wünsche” getroffen werden, sind transparent dargestellt, sodass die Nutzenden sie nachvollziehen und ggf. kritisieren können. Das schafft Akzeptanz.Lina Farid