23.04.2024
Beginn der Abschlussprüfungen: Petition für Bildungsgerechtigkeit statt privatem Profit gestartet
Berlin, 23.04.2024 – In diesen Wochen bereiten sich wieder hunderttausende Schüler und Schülerinnen auf ihre Abschlussprüfungen vor – und stellen damit die Weichen für ihre Zukunft. Besonders hilfreich für die Prüfungsvorbereitung sind alte Aufgaben. Seit 5 Jahren setzen sich Wikimedia Deutschland und FragDenStaat mit der Kampagne „Verschlusssache Prüfung“ dafür ein, dass Prüfungsaufgaben aus Vorjahren frei, digital und öffentlich zugänglich sind und die Bildungsgerechtigkeit gestärkt wird. Aber die meisten Bundesländer weigern sich, diese Forderung umzusetzen. Wikimedia Deutschland und FragDenStaat fordern nun die Kultusministerien der Länder auf: Geben Sie die Aufgaben frei – einfach, öffentlich und online! Die Petition wurde bisher über 45.000 mal unterzeichnet. Das zeigt: Die Forderung erfährt breite Unterstützung.
Ob und wie Schüler und Schülerinnen an Aufgaben aus den Vorjahren kommen, ist in allen Bundesländern unterschiedlich. In mindestens zehn Bundesländern, so unsere Recherchen, verschenken oder verkaufen Kultusministerien die Lizenz, die Aufgaben zu veröffentlichen, sogar an Verlage, die mit dem Verkauf von Übungsheften Umsätze in Millionenhöhe machen. Aufgaben, die immerhin mit öffentlichen Mitteln erstellt wurden. Einer dieser Verlage ist der Stark Verlag, der laut Bundesanzeiger 2021 mit den roten Übungsheften ca. 82 Prozent des Gesamtgeschäftes erzielte.
Welche Länder geben die Lizenz zur Veröffentlichung der Aufgaben an Verlage?
- Baden-Württemberg erteilt gegen eine Gebühr die Lizenz zur Veröffentlichung der Aufgaben für alle Schulformen und ist an den Nettoverkaufspreisen beteiligt.
- Bayern vergibt gebührenfrei die Lizenz zur Veröffentlichung der Abituraufgaben.
- Berlin und Brandenburg erteilen gegen Gebühr die Lizenz zur Veröffentlichung.
- Hamburg erteilt dem Stark-Verlag die Lizenz zur Veröffentlichung der Aufgaben der Fächer Deutsch, Mathematik und Englisch.
- Hessen erteilt dem Stark Verlag gegen eine „Kostenpauschale“ die Erlaubnis, die Aufgaben der Abitur-, Realschul- und Hauptschulprüfungen zu veröffentlichen.
- Nordrhein-Westfalen erteilt dem Dachverband der Bildungsmedien gegen eine „Abgeltung des Verwaltungsaufwandes und eine anteilige Finanzierung der Kosten“ die Lizenz Aufgaben der Zentralen Prüfungen zu veröffentlichen.
- Rheinland-Pfalz erteilt Verlagen gegen eine „Bearbeitungsgebühr von 100 Euro“ die Lizenz, Aufgaben zu veröffentlichen.
- Sachsen stellt Verlagen Aufgaben „gegen ein Entgeld“ zur Verfügung
- Schleswig-Holstein erteilt dem Stark Verlag gegen Gebühr die Lizenz zur Veröffentlichung der Abituraufgaben für die Fächer Mathematik, Deutsch und Englisch
Warum werden die Aufgaben nicht einfach veröffentlicht?
Die meisten Bundesländer argumentieren damit, dass dem das Urheberrecht im Weg steht und es zu aufwändig sei, Lizenzierungen für Drittmaterialien zu erhalten. Dabei kann man Materialien wie den Zeitungsartikel in der Deutschklausur oder den Radiobeitrag in der Politikklausur verlinken oder referenzieren. Und man kann frei lizenzierte Materialien nutzen. Dass das Urheberrecht einer digitalen Veröffentlichung von Aufgaben und Materialien nicht im Weg stehen muss, beweisen etwa Niedersachsen und Schleswig-Holstein. In beiden Bundesländern haben Lernende digital und öffentlich Zugang zu Prüfungen und Lösungserwartungen aus Vorjahren. Drittmaterialien werden verlinkt, referenziert oder – wo möglich – direkt mit den Aufgaben veröffentlicht.
Das Vorgehen der Ministerien verstärkt Bildungsungerechtigkeit
Bildungsungerechtigkeit ist in Deutschland ein großes Problem. Seit Jahren kritisieren Experten und Expertinnen, dass der Erfolg im Schulsystem stark vom Bildungsgrad der Eltern und der ökonomischen Herkunft abhängt. Das liegt auch daran, dass Schüler und Schülerinnen aus wohlhabenden Familien und deren Eltern mehr in Bildung investieren können. Die Übungshefte des Stark Verlags kosten zwischen 15 und 20 Euro pro Fach. Um sich auf mehrere Prüfungsfächer vorzubereiten, kommen so schnell hohe Beträge zusammen. Eine gute Prüfungsvorbereitung sollte nicht von individuellen finanziellen Möglichkeiten abhängen. Schüler und Schülerinnen aller Schulformen und aus allen Bundesländern haben das gleiche Recht, sich bestmöglich, selbstständig und mit digital zugänglichen Aufgaben aus Vorjahren auf eine der entscheidendsten Prüfungen ihres Lebens vorzubereiten.
Unsere Petition adressiert die Kultusministerien der Länder und soll aufzeigen, dass viele Menschen unsere Forderung unterstützen. Am 13./14. Juni soll sie im Rahmen der Kultusministerkonferenz übergeben werden.
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