Juliane Leopold ist Chefredakteurin Digitales von ARD-aktuell.
Warum setzt nun auch die tagesschau auf freie Creative-Commons-Lizenzen?
Juliane Leopold: Als tagesschau sind wir besonders dem öffentlich-rechtlichen Auftrag verpflichtet, zur freien Meinungsbildung und zur Orientierung in der Gesellschaft beizutragen. CC-Lizenzen ermöglichen es uns, dass wir bestimmte Inhalte leichter rechtssicher nutzbar machen können, zum Beispiel für Bildungseinrichtungen. Dabei geht es in erster Linie um Erklärinhalte, die wir vor allem für unsere Digitalkanäle erstellen. So beantworten wir in den sozialen Netzwerken oder bei tagesschau.de immer wieder aktuelle Fragen, die sich angesichts politischer oder gesellschaftlicher Entwicklungen stellen. Diese Inhalte werden oft von Bildungseinrichtungen angefragt, jetzt ist eine Nutzung rechtssicher und unkompliziert möglich. So machen wir das bereits seit mehr als zwei Jahren.
Dass wir seit ein paar Monaten durch die freie CC-Lizenz zusätzlich auch außerhalb unserer eigenen Angebote, zum Beispiel bei Wikipedia, Menschen mit unseren Inhalten erreichen können, ist natürlich toll. Aus unserer Sicht stärkt das unseren Beitrag zum gesellschaftlichen Diskurs. Unsere Inhalte werden so einem noch größeren Kreis von Nutzenden zugänglich gemacht.
Was verspricht sich die ARD von Freigaben für öffentlich-rechtliche Wissensinhalte?
Wir können an dieser Stelle nur für die tagesschau sprechen. Die tagesschau verfolgt den Ansatz, die Inhalte ihrer starken Nachrichtenmarke dort zu distribuieren, wo Menschen Informationsinhalte suchen und benötigen, zum Beispiel, um gegen Desinformation gewappnet zu sein. Daher sind Drittplattformen für die tagesschau sehr wichtig. Dabei spielen Wissens- und Bildungsinhalte eine ganz besondere Rolle, weil sie im Kern des öffentlich-rechtlichen Auftrags liegen. Ausgewählte tagesschau-Inhalte unter CC-Lizenz zu verbreiten, hat für uns einen entscheidenden Vorteil: Wir können mehr Menschen erreichen, die sich für unsere Wissensinhalte interessieren und für die Drittplattformen wie Wikipedia und YouTube zentrale Anlaufpunkte bei der Informationssuche sind.
Wo gilt es, Vertrauen zu schaffen und Bedenken zu überwinden?
Die Entscheidung der tagesschau, noch stärker als bisher auf Inhalte unter CC-Lizenz zu setzen, war komplex. Wir haben in unserem Distributionsteam, dem ARD Partnermanagement Publishing, lange daran gearbeitet, unsere Sorgen auszuräumen, zum Beispiel hinsichtlich kommerzieller Nutzung oder missbräuchlicher Nutzung unserer Inhalte und sonstiger rechtlicher Fragen. Organisationen oder Medien, die sich auf diesen Weg begeben wollen, sollten bedenken, dass es Kapazitäten benötigt, um zum Ziel zu kommen. Aber die Arbeit ist aus unserer Sicht total lohnenswert.
Welche Erfolgsgeschichten lassen sich bereits erzählen?
Wir haben ein paar Videos, deren Abrufzahlen auf Wikipedia uns sehr erfreuen. Das »Kurz erklärt: Wie unterscheiden sich Gender und Geschlecht?« mit 212.000 Abrufen bisher ist ein Beispiel. Es wurde eingebunden in der deutschsprachigen, der baschkirischen und der serbischen Wikipedia, zudem bei Wikidata an verschiedenen Stellen. Auch Erklärvideos zu ETFs und exponentiellem Wachstum wurden gut von der Community angenommen. Möglicherweise geht von der tagesschau in Richtung ARD und ZDF hier eine Leuchtturmwirkung aus, die weitere wertvolle Inhalte unter freier Lizenz auf die Plattformen und damit zu den Menschen bringt. Es ist aber noch zu früh, das zu beurteilen.