GLAM-Veranstaltungen im digitalen Raum
Wie kann auch in Zeiten einer Pandemie der Austausch zwischen Ehrenamtlichen und Kulturerbe-Institutionen gelingen? Mit einer Reihe virtueller GLAM-Veranstaltungen hat Wikimedia 2021 bewiesen, dass gerade der digitale Raum Schwellen senken und Zugänge erleichtern kann. Ein Highlight des Jahres war die Online-Preisverleihung des Fotowettbewerbs Wiki Loves Monuments (WLM), der einen neuen Rekord an Einreichungen aufgestellt hat.
„Die Zeiten, als wir beim Fotografieren von Denkmälern von Eigentümer*innen mit Hunden vom Hof gejagt wurden, sind vorbei“, scherzt Elke Wetzig. Die langjährige Wikipedianerin moderiert die Online-Preisverleihung des Fotowettbewerbs Wiki Loves Monuments (WLM) – und kündigt eine besondere Grußbotschaft an. Zum Gewinnerbild – eine Drohnenaufnahme des Schlosses Langenburg in Baden-Württemberg, von Matthias Süßen pittoresk auf dem Bergsporn im morgendlichen Nebel des Jagsttals in Szene gesetzt – gratuliert Fürst Philipp zu Hohenlohe-Langenburg. Er ist der Burgherr persönlich.
„Wir sind extrem stolz, dass ein Foto unseres Schlosses den Wettbewerb gewonnen hat“, betont er im Videoeinspieler und fügt hinzu: „Wir müssen unseren Dank an alle Teilnehmenden richten, denn sie unterstützen den Erhalt von Kulturdenkmälern durch ihre Arbeit und Leidenschaft.“
Tatsächlich steht genau dieser Gedanke im Zentrum des von Wikipedianer*innen organisierten Wettbewerbs – und nicht die Konkurrenz ums Siegertreppchen. „Angesichts der Tatsache, dass über 41.000 Bilder eingereicht wurden, darf sich jeder, der es in die Top Ten geschafft hat, als Gewinner fühlen“, so Wikipedianer Wuselig, der WLM in verschiedenen Positionen seit der ersten deutschen Ausgabe 2011 mitgeprägt hat. Inzwischen findet der Wettbewerb auf allen Kontinenten statt – sogar auf Antarktika. In Deutschland war der Zuspruch nie größer als in diesem Jahr.
Eine Kehrtwende um 180 Grad
Auch der 2. Platz – das Bild eines Fachwerkhauses in Goslar von Martin Kraft – wird sehr wertgeschätzt. „Ein tolles Marketing für unsere Stadt“, sagt Goslars ehemaliger Oberbürgermeister Oliver Junk erfreut, ebenfalls im Video. „Danke, dass sich Ehrenamt auch in diesem Bereich engagiert.“ Auch zahlreiche hochrangige Vertreter*innen von Kulturerbe-Institutionen haben für die Preisverleihung anerkennende Grüße gesandt – unter ihnen Maria Böhmer, Präsidentin der Deutschen UNESCO-Kommission, Ulrike Lorenz, Präsidentin der Klassik Stiftung Weimar, oder Christoph Martin Vogtherr, Generaldirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten.
Es bedeute „eine Kehrtwende um 180 Grad“, dass sich die Kulturerbe-Institutionen den Wikimedia-Projekten mittlerweile derart öffnen, so Holger Plickert, Projektmanager für Wikimedia Deutschland und Experte im GLAM-Bereich. Wo noch vor wenigen Jahren viel Überzeugungsarbeit notwendig war, um den Ehrenamtlichen das Fotografieren von Kultur- und Baudenkmälern zu ermöglichen, werden heute Einladungen ausgesprochen.
Schwellenabbau im digitalen Raum
Die digitale WLM-Gala war dabei nur eines unter vielen Projekten, die Plickert 2021 gemeinsam mit der Community und den Institutionen trotz der anhaltenden Pandemie möglich gemacht hat. Mit einer Reihe partizipativer Online-Formate konnten die Kommunikationsstränge zwischen Ehrenamtlichen und Institutionen nicht nur aufrecht erhalten werden – der Kreis der Teilnehmenden hat sich auf virtuellen KulTouren durch Museen und Bibliotheken teils sogar erweitert. „Wir wollen inklusiv und niederschwellig sein“, betont Plickert. Das sei im digitalen Raum so gut gelungen, dass seit Januar 2022 in Kooperation zwischen Wikimedia Deutschland, Wikimedia Österreich und Wikimedia Schweiz das verstetigte Format „GLAM digital“ angeboten werde.
Eine weitere positive Erfahrung hat Plickert auf der virtuellen KultTour durch die Bibliothek Monacensia im Hildebrandhaus in München gemacht, die einen Schwerpunkt auf female heritage legt. Nie zuvor nahmen so viele Frauen an einer GLAM-Veranstaltung teil: über 80 Prozent. „Ich durfte etliche Wikipedianerinnen neu kennenlernen“, so Plickert. „Das zeigt, dass sich Menschen auch über ein Thema gewinnen lassen.“
Als wichtiges Signal der Kulturerbe-Institutionen an die Freiwilligen wiederum sieht er die Tatsache, dass immer häufiger die Leiter*innen selbst sich Zeit nehmen, ihre Sammlungen zu präsentieren. Zum Beispiel Prof. Michael Embach, Direktor der Wissenschaftlichen Bibliothek der Stadt Trier, der einen virtuellen Rundgang durch die Schatzkammer seines Hauses veranstaltet – und Preziosen wie eine originale Gutenberg-Bibel oder einen auf der Welt einmaligen Fischerei-Kalender präsentiert hat.
Signale in drei Richtungen
Für mehr und bessere Sichtbarkeit des Kulturerbes in der Wikipedia und ihren Schwesterprojekten sollen indes nicht nur GLAM-Veranstaltungen sorgen – sondern auch die 2021 gegründete Arbeitsgemeinschaft kuwiki (Kunstwissenschaften + Wikipedia). Die Kunsthistoriker*innen, die hier mit Ehrenamtlichen zusammentreffen, tragen als Fachleute nicht nur dazu bei, manche Bildbeschreibung in der freien Enzyklopädie zu optimieren. Sie werben umgekehrt auch in ihrem Fach für die Wikipedia als Publikationsmöglichkeit mit hoher Reichweite.
Wie wichtig generell die Dokumentation und damit der Erhalt des kulturellen Erbes sind, verdeutlicht Wikipedianer Thomas. Auch er ist eine treibende Kraft hinter dem Wettbewerb Wiki Loves Monuments, der 2021 erstmals einen Sonderpreis für zerstörte und bedrohte Kulturdenkmäler vergeben hat. „Diesen Preis haben wir unter dem Eindruck der Flutkatastrophe 2021 kurzfristig ausgelobt. Die drei Preisträger zeigen eine Brücke im Ahrtal wenige Wochen vor der Zerstörung, eine dem Verfall preisgegebene Villa in Brandenburg und ein Industriedenkmal, das teilweise abgerissen wurde.“
Für Holger Plickert war die virtuelle WLM-Preisverleihung ein Highlight des Jahres, weil sie gleich drei Signale gesendet habe. An die Freiwilligen: „Ihr leistet großartige Arbeit, bleibt am Ball.“ An potenzielle Community-Mitglieder: „Es ist möglich, sich zu engagieren, trotz Pandemie.“ Und an die Institutionen: „Schaut, was für tolle Menschen sich für die Themen einsetzen, für die auch ihr euch engagiert.“
„Sie alle tragen durch Ihre Fotos und durch Ihr Engagement für Wiki Loves Monuments dazu bei, das reichhaltige kulturelle Erbe in Deutschland für alle Menschen zugänglich zu machen.“
– Prof. Dr. Maria Böhmer, Präsidentin Deutsche UNESCO-Kommission
„Der Wettbewerb WLM ist eine Allianz, die wir für die Denkmäler brauchen. Durch die Fotos, die Sie einstellen, werden unsere Denkmäler weltweit erfahrbar.“
– Prof. Dr. Christoph Martin Vogtherr, Generaldirektor SPSG
„Die Klassik Stiftung Weimar gratuliert Wikimedia zu diesem wunderbaren Wettbewerb, der weltweit Hunderttausende von Ehrenamtlichen und Begeisterten aufruft, Fotos vom Baukulturerbe zu machen. Diese Fotos bereichern in Zukunft den Wissensschatz von Wikipedia, und sie regen die Menschen an, sich stark mit dem kulturellen Erbe zu beschäftigen.“
– Dr. Ulrike Lorenz, Präsidentin Klassik Stiftung Weimar
„Die Zusammenarbeit mit Wikimedia bietet uns eine willkommene Möglichkeit, die öffentliche Wahrnehmung der Schatzkammer zu steigern. Als kulturtragende Institution sind wir auf Zusammenarbeit angewiesen. Wikimedia ist da ein wichtiger Partner. Das Portal verbindet inhaltliche Qualität mit hoher medialer Präsenz.“
– Prof. Dr. Michael Embach, Ltd. Bibliotheksdirektor der Wissenschaftlichen Bibliothek der Stadt Trier/Stadtarchiv
„Wir erproben neue Wege der Erinnerungskultur, die wir gemeinsam mit Partner*innen aus Kultur, Bildung und Wissenschaft gehen möchten. Besonders wertvoll ist hier für mich die Kooperation mit Wikimedia Deutschland und den Ehrenamtlichen aus der Wiki-Community. Dass wir im Rahmen der KulTour unsere Einrichtung und unsere Praxis der kuratorischen Feldforschung vorstellen konnten, ist für uns wichtig. So bekommen wir immer neue Mitstreiter*innen, mit denen wir uns auch in anderen Projekten gerne austauschen. Gemeinsam wollen wir neues Wissen schaffen, Wissen vernetzen und Wissen teilen.“
– Anke Buettner, Leiterin der Monacensia
„Denkmalpflege ergibt Sinn, wenn Kulturdenkmale die Wertschätzung der Gesellschaft
erfahren können. Bürgerschaftliches Engagement in der Denkmalpflege hat eine über
200 Jahre alte Tradition: Informationen und Bilder über kulturelles Erbe werden
weitergegeben, um andere Bürger und Bürgerinnen zu begeistern und zu
sensibilisieren. Wiki Loves Monuments ist inzwischen eine feste Größe auf dem
wichtigen Handlungsfeld der Denkmalvermittlung, dies erfüllt mich mit Bewunderung.“
– Dr. Gunnar Schellenberger, Präsident des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz, Präsident des Landtages von Sachsen-Anhalt