20 Jahre Wikipedia
Wenn das größte Mitmachprojekt des Planeten Geburtstag hat, muss gebührend gefeiert werden! Zum 20. Jubiläum der Wikipedia gratulierten prominente Köpfe, Dokumentarfilme entstanden – und eine digitale Ausstellung entdeckte hinter den Kulissen der Wissenssammlung und ihrer Community Bemerkenswertes bis Kurioses. Auch über Wikipedia selbst gab es noch immer Neues zu erfahren.
Der, die, oder das Wikipedia? Über das Genus herrschte zunächst Uneinigkeit, als am 16. März 2001 die deutschsprachige Ausgabe der freien Online-Enzyklopädie an den Start ging. „Die meisten deutschen Nomen, die auf -a enden, sind Femininum, aber trotzdem, ‘die deutsche Wikipedia’ ist albern“, kommentierte ein User damals.
20 Jahre später hat sich dieser Fall erledigt – und die Geschichte zählt zum Schatz von Anekdoten, die Anika Reineke, Damaris Schmitz und Elisabeth Friedrich für die Online-Ausstellung „Gemeinsam für Freies Wissen“ zusammengetragen haben. Die Jubiläumsausstellung, entstanden in Kooperation mit der Deutschen Digitalen Bibliothek, führt anlässlich des Geburtstags der größten Wissenssammlung der Welt tief ins Wikiversum – nicht zuletzt mit dem Ziel, „die Community zu feiern, die Freiwilligen, die so viel Zeit, Herzblut und Engagement in dieses Projekt investieren“, so Reineke.
Ansteckende Begeisterung
Wikipedianer*innen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz waren aufgerufen, besondere Erinnerungen zu schicken, Digitalisate, die in ihren Augen erzählen, was die gemeinsame Arbeit am Ideal des Freien Wissens ausmacht. Die drei Kuratorinnen haben die Ausstellung selbst nach dem Wikipedia-Prinzip aufgebaut: Begriffe sind verlinkt, ein Beitrag schlägt Brücken zum nächsten. Erzählt wird von den Anfängen des Freien Wissens. „Schon in einem Druck des Diamant-Sutra aus dem Jahr 868 findet sich der Vermerk ‚Zur universellen Verteilung’“, erzählt die Kunsthistorikerin Reineke, die bei den Staatlichen Museen zu Berlin arbeitet und seit 2003 Wikipedianerin ist.
Man erfährt von der Gründung des kollaborativen Schreibprojektes „Women in Red“, der Wikiquette mit 10 Benimmregeln, dem Unterwegssein per Wikitrain, der Aktion #wikifueralle – oder auch dem WikiProjekt „Traditionelles Handwerk“ (und was es mit dem „Trattenbacher Taschenfeitel“ als Teil des immateriellen Kulturerbes Österreichs auf sich hat). Mitglieder der Community berichten von der Entdeckung eines entlegenen britischen Soldatenfriedhofs in Ägypten, dem letzten Treffen mit einem 91-jährigen Kölner Grafiker (Erfinder der Figur „Oskar, der freundliche Polizist“). Oder der aufwändigen Suche nach Fotomaterial für einen Text über einen ehemaligen Gouverneur in Timor.
Kuratorin Damaris Schmitz – die wie Elisabeth Friedrich für die Agentur Artefakt Kulturkonzepte arbeitet – fasst es so zusammen: „Ich war begeistert von der Begeisterung der Freiwilligen.“
Mehr als nur ein Lexikon
„Heute arbeiten Staatsarchive und Bibliotheken mit dir zusammen, du bist ein Lichtblick im Internet in Zeiten von Desinformation und alternativen Wahrheiten.“ Mit diesem Lob bedachte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Geburtstagskind Wikipedia – als einer von vielen Prominenten aus Politik, Wissenschaft und Kultur, die per Videobotschaft gratulierten.
„Mein Brockhaus steht zwar immer noch im Regal, aber ich benutze ihn zunehmend selten – weil es einfach toll ist, dass man auf euch zurückgreifen kann per Knopfdruck“, sagte Schauspielerin und Regisseurin Katharina Thalbach.
„Ihr seid viel mehr als nur ein Lexikon – bei euch kann jeder mitmachen, der sich die Zeit nimmt“, so der Autor Jean Pütz.
„Stell dir eine Welt vor, in der jede*r Einzelne auf dem Planeten freien Zugang zu dem gesamten Wissen der Menschheit hat“ – mit diesem Satz umreißt Wikipedia-Mitgründer Jimmy Wales seine ursprüngliche, noch immer gültige Vision für das Projekt. Das Zitat steht auch am Anfang der Dokumentation „Das Wikipedia-Versprechen – 20 Jahre Wissen für alle?“, die Lorenza Castella und Jascha Hannover für den WDR in Zusammenarbeit mit arte aus Anlass des Jubiläums realisiert haben.
Der Film ist eine kritische Würdigung der Wikipedia-Geschichte. Nicht nur wird Rückschau auf die Anfänge (die letztlich gescheiterte „Nupedia“) und auf Erfolgsmarken gehalten (zwischen 30 und 40 Millionen Aufrufe verzeichnet allein die deutsche Wikipedia täglich). Die Dokumentation beleuchtet auch Kontroversen wie Edit-Wars, den Gendergap in den Communitys oder die Frage der Abbildbarkeit von Oral History.
Der Asteroid Wikipedia
Wer dagegen selbst durch die Geschichte der Wikipedia und ihrer Schwesterprojekte navigieren möchte, kann online auf „virtuelle Zeitreise“ gehen – und Wegmarken aus 20 Jahren entdecken. Wie – nur zum Beispiel – den 15. Januar 2003 („Zu ihrem zweiten Geburtstag umfasst die gesamte Wikipedia 130.000 Artikel in 28 Sprachen und ist damit das größte Wiki der Welt“). Den 5. Dezember 2008 („Das Deutsche Bundesarchiv übergibt Wikimedia Commons 100.000 Bilder unter freier Lizenz“). Den 27. Januar 2013 („Ein Asteroid wird nach Wikipedia benannt“). Oder den 27. Januar 2020 („Ein Wikipedianer erhält erstmals das Bundesverdienstkreuz“).
Anika Reineke betont, dass im Titel der Geburtstagsausstellung die Essenz des gesamten Projektes steckt: „Gemeinsam für Freies Wissen“. „Genau darum geht es: um ein gemeinsames Arbeiten an diesem großen Ideal.“