Editorial
Liebe Freund*innen des Freien Wissens,
den Wert eines freien Netzes, an dem alle teilhaben und in dem sie ihr Wissen teilen können, müssen wir uns nicht erst in Erinnerung rufen. Dennoch gibt es Momente, in denen auch uns die Bedeutung des Zugangs zu verlässlichen Informationen noch einmal besonders bewusst wird. Während Freiwillige auf der ganzen Welt den russischen Angriffskrieg dokumentieren und Quellen und Fakten sichern, wird die Wikipedia von der Russischen Medienaufsicht – zum wiederholten Mal – mit einer Sperre bedroht. In der Ukraine, in Russland, Belarus (und in vielen anderen Kriegs- und Krisenregionen auf der Welt) riskieren Wikipedianer*innen ihre Freiheit durch ihre enzyklopädische Arbeit. Ihnen gilt unsere Solidarität und Unterstützung.
Die Verwerfungen der Gegenwart können und wollen wir auch in einem Bericht nicht ausblenden, der Rückschau auf das Jahr 2021 hält – mit einer Reihe von Wegmarken in unserem Bemühen, so viel Wissen wie möglich zu befreien und für mehr Wissensgerechtigkeit zu sorgen, so wie es in unserer Movement Strategy verankert ist.
Auf der ersten hybriden Mitgliederversammlung von Wikimedia Deutschland e. V. im September 2021 in Kassel sind die Grundsätze unserer strategischen Ausrichtung – Gerechtigkeit, Partizipation, Subsidiarität, Empowerment und Inklusion – einmal mehr bekräftigt worden. Auch wurde beschlossen, die von Wikimedia seit Jahren gelebte Praxis, gendersensibel zu kommunizieren, auf die Satzung und in den Ordnungen des Vereins anzupassen. Wir sehen das auch als kleinen Beitrag im Kampf gegen Ungleichheit und Marginalisierung, zu dem seit 2021 auch unsere neue Veranstaltungsreihe „Wissen. Macht. Gerechtigkeit.“ in Kooperation mit Deutschlandfunk Kultur beiträgt.
2021 war in mehrfacher Hinsicht ein besonderes Jahr: Im März konnten wir den 20. Geburtstag der deutschsprachigen Wikipedia gemeinsam mit der Community in einer großen Aktionswoche feiern; zudem standen die Bundestagswahlen an, verbunden mit der Hoffnung auf einen Neustart in der Datenpolitik. Auf unserer Mitgliederversammlung sind mit deutlicher Mehrheit Forderungen an die neue Regierung und den neuen Bundestag beschlossen worden. Nicht wenige davon – etwa nach einem Rechtsanspruch auf Open Data – finden sich im Koalitionsvertrag der Ampelregierung wieder und warten jetzt auf Verwirklichung.
Freilich braucht dieser Prozess unsere kritische Begleitung. Viele unserer Forderungen nach Transparenz und freiem Zugang zu Wissen sind noch nicht erfüllt.
Wir setzen uns für offene Daten ein, um endlich mehr Durchblick in der Pandemie gewinnen zu können. Zusammen mit Ärzte ohne Grenzen und anderen zivilgesellschaftlichen Akteur*innen streiten wir dafür, dass Deutschland einer Patentlockerung für Vakzine zustimmt. Wir fordern, dass staatlich beauftragte Gutachten standardmäßig veröffentlicht werden, und nicht erst durch die Presse an die Öffentlichkeit gelangen.
All diese Beispiele zeigen, wie bedeutsam eine gemeinwohlorientierte Datenpolitik und wie wichtig die Unterstützung unseres Einsatzes dafür ist. Umso mehr freuen wir uns, dass Wikimedia e. V. mittlerweile das 100.000. Mitglied begrüßen durfte. Zusammen mit den vielen Spender*innen haben uns somit im Jahr 2021 insgesamt über eine halbe Millionen Menschen unterstützt. Wir möchten unseren großen Dank aussprechen: all unseren Mitgliedern, Unterstützer*innen und natürlich den Ehrenamtlichen unserer Communitys. Jede*r Einzelne von Ihnen trägt dazu bei, Freies Wissen zu fördern und Desinformation in die Schranken zu weisen.
Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre mit unserem Jahresbericht!
Ihre
Christian Humborg
Geschäftsführender Vorstand
Lukas Mezger
Vorsitzender des Präsidiums
Franziska Heine
Stellvertreterin des Geschäftsführenden Vorstands
An dieser Stelle möchten wir das neue Führungsteam von Wikimedia Deutschland vorstellen. Am 1. Juni 2021 hat Christian Humborg als neuer Geschäftsführender Vorstand die Nachfolge von Abraham Taherivand angetreten, mit Franziska Heine als Stellvertreterin des Geschäftsführenden Vorstands.
Franziska Heine war seit 2017 Leiterin der Software-Entwicklung bei Wikimedia Deutschland. Davor war sie Initiatorin einer erfolgreichen Online-Petition gegen die 2009 geplante Regelung zu Sperrungen von Internetinhalten in Deutschland durch das Zugangserschwerungsgesetz („Zensursula“). Christian Humborg war seit 2016 Stellvertreter des Geschäftsführenden Vorstands sowie Bereichsleiter Finanzen bei Wikimedia Deutschland. Davor war er Geschäftsführer von Transparency International Deutschland und Correctiv, außerdem hat er das Transparenzportal fragdenstaat.de mit initiiert.