Ein Bundesverdienstkreuz ging an den Wikipedia-Aktiven Bernd Schwabe.
Gleich zwei besondere Ehrungen bleiben aus dem vergangenen Jahr in Erinnerung: Wikimedia Deutschland wurde die Karl-Preusker-Medaille verliehen – eine der höchsten Auszeichnungen des Bibliothekswesens in Deutschland. Und der Wikipedianer Bernd Schwabe aus Hannover hat für sein Engagement die Bundesverdienstmedaille bekommen. Er ist der erste Freiwillige, der mit einem Verdienstorden geehrt wird – ein bedeutender Schritt für die Anerkennung des digitalen Ehrenamts.
„Karl Benjamin Preusker kann als wichtiger Wegbereiter des öffentlichen Bibliothekswesens in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und Vorläufer der späteren Bücherhallenbewegung bezeichnet werden.“ So steht es in seinem Wikipedia-Eintrag. Nach ihm benannt ist die Karl-Preusker-Medaille, die vom Dachverband Bibliothek & Information Deutschland (BID) vergeben wird – an Personen oder Institutionen, die den Kultur- und Bildungsauftrag des Bibliothekswesens in herausragender Weise fördern und unterstützen. 2020 ging sie an Wikimedia Deutschland.
„Bibliotheken und Wikimedia sind einander besonders verbunden durch ihre großen gemeinsamen Ziele: Beide arbeiten daran, Wissen frei zugänglich zu machen, offene Bildungsinhalte bereitzustellen und die Digitalisierung des Wissens voranzutreiben“, so Abraham Taherivand, Geschäftsführender Vorstand von Wikimedia Deutschland.
In der Vergangenheit haben Wikimedia-Projekte immer wieder wertvolle Referenzen und Digitalisate aus den Bibliotheken erhalten – die Bibliotheken wiederum bekamen wichtige Impulse für den digitalen Wandel. Anlässlich der Verleihung der Preusker-Medaille haben die Deutsche Nationalbibliothek und Wikimedia Deutschland das WikiLibrary-Manifest veröffentlicht: Es hat die Entstehung und Nutzung eines Linked-Open-Data-Netzwerkes für Kunst, Kultur und Wissenschaft zum Ziel.
Bewahrer von Wissen
Eine besondere Auszeichnung hat auch der Wikipedianer Bernd Schwabe erhalten. Er ist für sein digitales Ehrenamt mit der Bundesverdienstmedaille geehrt worden – und damit der erste Freiwillige überhaupt, dem eine solche Würdigung zuteilwird. Der Hannoveraner ist seit 2009 in der Wikipedia aktiv und hat über 4.000 Artikel geschrieben oder maßgeblich bearbeitet. Sein Fokus liegt auf Texten über Orte, Geschehnisse und Menschen, die die Geschichte seiner Heimatstadt geprägt haben.
Von ihm stammt zum Beispiel ein Artikel über Georg Hiller, einen Unternehmer und Pionier des Vegetarismus, der 1955 das am längsten durchgängig betriebene vegetarische Restaurant Deutschlands eröffnet hat. Schwabe schrieb einen Text über Hans Bremer, einen Hannoveraner Polizeibeamten, der während der Nazizeit als Gestapo-Mitglied tätig war und später wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt wurde. Auch der Eintrag über Maria Elisabeth von Anderten – eine in jungen Jahren verstorbene adelige Jungfrau des 17. Jahrunderts – stammt von ihm.
Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil, der Schwabe für die Bundesverdienstmedaille vorgeschlagen hat, betont: „Bernd Schwabe leistet dabei in Hannover seit 10 Jahren einen wichtigen Beitrag in Text und Bild. Ohne sein ehrenamtliches Engagement und das vieler anderer Freiwilliger gingen viele Informationen für immer verloren oder wären nur einem (zu) kleinen Kreis zugänglich.“
3 Fragen an Katarina Peranić
Im Netz findet sich ein regelrechtes Ökosystem ehrenamtlichen Engagements: von Freifunk über die Wikipedia-Community bis hin zur digitalen Nachbarschaftshilfe, um nur einige zu nennen. Wie schätzen Sie deren sich entwickelnde Bedeutung ein – in Bezug zum klassischen analogen Ehrenamt?
Zunächst einmal finde ich es gut, die beiden Bereiche zusammenzudenken. In der Vergangenheit wurden hier gern Gegensätze konstruiert: auf der einen Seite die Online-Volunteers, auf der anderen diejenigen, die vor Ort sind. Das war aber schon immer ein Scheingegensatz. Tatsächlich sind es zwei sich unterstützende Ökosysteme, die sich immer mehr annähern und miteinander verschmelzen. Grundsätzlich ist doch die Frage: Warum engagiert man sich überhaupt? Weil man – das wäre das ganz hehre Ziel – ein gesellschaftliches Problem lösen will, weil man Lust hat, mit anderen etwas auf die Beine zu stellen und dabei selbst viel zu lernen, Fertigkeiten und soziale Kompetenzen zu erlangen. Oder weil man daran glaubt, dass man etwas zurückgeben sollte, wenn es einem selbst gut geht. Bei all dem spielt es keine Rolle, ob das Engagement analog oder digital stattfindet.
Welche Rolle spielt der Aufbau von digitalen Wissenscommunitys für Engagement und Ehrenamt in Zukunft?
Aus meiner Perspektive eine große. Nicht nur das Engagement ist divers. Es gibt auch sehr verschiedene Engagementbereiche: den Sport, wo sich die allermeisten engagieren, Kultur, Soziales und Umwelt. An allen Ecken und Enden entsteht Wissen und überall entstehen Projekte – aber häufig ist es so, dass viel Zeit und viele Ressourcen in die Entwicklung gleicher Dinge investiert werden. Aus meiner Erfahrung ist es bereichernd, diese unterschiedlichen Menschen in den Dialog und in einen Wissensaustausch zu bringen, damit sie voneinander lernen und ihre Kräfte bündeln können. Da braucht es viel mehr Formate und Akteure, die bereit sind, ihr Wissen zu teilen, zum Beispiel auf Veranstaltungen wie Barcamps. Die Stiftung Bürgermut mit openTransfer ist da sehr engagiert, auch Wikimedia ist natürlich ein riesiger Player auf diesem Feld.
Welche Rahmenbedingungen kann die Politik für eine gute Zukunft des digitalen Ehrenamts setzen?
Die Politik ist durchaus ein starker Förderpartner, was Engagement und Ehrenamt angeht. In den vergangenen Jahren sehe ich da einen großen Sprung nach vorn. Es gibt mittlerweile einen Prototype Fund, der über die Open Knowledge Foundation abgebildet wird. Das Projekt Freifunk, das freie Kommunikation in digitalen Netzen aufbaut, ist endlich in die Familie der Gemeinnützigkeitszwecke aufgenommen worden. Auch das zählt für mich zu Rahmenbedingungen, die geschaffen werden müssen. Generell sollte Politik mehr auf die Zivilgesellschaft hören: Welche Forderungen und welche Bedarfe es gibt. Die Leute vor Ort wissen am besten, was sie brauchen.
Katarina Peranić
Katarina Peranić ist Vorständin der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt. Bis 2020 war sie geschäftsführende Vorständin der Stiftung Bürgermut. Die zertifizierte Stiftungsmanagerin (DSA) und Politikwissenschaftlerin begleitet seit mehr als zehn Jahren Projekte in Zivilgesellschaft und Politik. Dabei spielen der Aufbau von analogen und digitalen Wissenscommunitys eine zentrale Rolle.