3 Nationalbibliotheken
(Library of Congress, Bibliothèque Nationale de France, Deutsche Nationalbibliothek) nutzen Wikibase.
Wer Sprachassistenten nach dem höchsten Berg der Welt fragt, bekommt die Antwort mit hoher Wahrscheinlichkeit aus Wikidata geliefert. Wer während eines Fluges im Inflight-Programm Informationen über Städte entlang der Strecke abruft, kann am Bildschirmrand den Hinweis erhalten: „Made with the Magic of Wikidata“. Seit acht Jahren sammelt diese Datenbank das menschliche Wissen in maschinenlesbarer Form. Die Software, die das ermöglicht, heißt Wikibase. Seit 2019 wird sie auch von der Deutschen Nationalbibliothek getestet – um die Gemeinsame Normdatei (GND), in der über 8 Millionen Einträge (Stand: Mai 2020) zu kulturellen und wissenschaftlichen Sammlungen verzeichnet sind, auf das nächste Level zu heben. Jens Ohlig, Software Communication Specialist bei Wikimedia, erklärt die Vorzüge von Wikibase.
Wie funktioniert der Wikidata-Kosmos?
Wikidata verknüpft die frei zugänglichen Datenbanken und stellt Verbindungen zwischen Wissensgegenständen her – als Knotenpunkt und Drehkreuz im Linked Open Data Web. Die Software, die wir geschrieben haben, um das zu realisieren, ist Wikibase. Ähnlich wie die Wikipedia-Software eine Revolution für das kollaborative Schreiben war, bedeutet Wikibase eine Revolution für das Eintragen von strukturierten Daten. Natürlich ist das zunächst mal für Bibliotheken interessant, die seit Jahrtausenden das Weltwissen strukturieren. Aber auch andere Institutionen können damit ihre eigene Daten-Welt aufbauen.
Was bedeutet es, dass die Deutsche Nationalbibliothek jetzt Wikibase nutzt?
Die Deutsche Nationalbibliothek zählt neben der Library of Congress zu den einflussreichsten Institutionen ihrer Art. Die Tatsache, dass die Verantwortlichen sich mit Wikibase für eine Open-Source-Community-Lösung entschieden haben, um den nächsten Schritt bei der Öffnung der Gemeinsamen Normdatei zu gehen, hatte einen Leuchtturm-Effekt. Im Sommer 2019 fand eine Konferenz der Nationalbibliotheken statt, auf der enormes Interesse an unserer Software bestand. Das reicht von der französischen Nationalbibliothek bis zur Nationalbibliothek von Aruba.
Welche Vorteile bietet die Software für die Institutionen?
Wikibase ermöglicht vieles, was andere Datenbanksysteme nicht bieten. Es ist zum Beispiel möglich, widersprüchliche Aussagen nebeneinanderstehen zu lassen. Wenn ich in Wikidata abfrage, die Hauptstadt welchen Staates Jerusalem ist, bekomme ich zwei verschiedene, jeweils mit Quellen belegte Aussagen – und kann selbst entscheiden, welchem Pfad ich folgen möchte. Das ist wichtig, weil es die Komplexität unserer Welt abbildet. Wikibase ist als System flexibel genug, um mit unserer chaotischen Realität zurecht zu kommen.
Welche Einsatzmöglichkeiten sind für Wikibase noch denkbar?
Neben einer Zusammenarbeit mit der Bibliotheque Nationale de France, die wir bereits vereinbart haben, sind eine Reihe von Einsatzgebieten denkbar. Gerade auch in den Wissenschaften, zum Beispiel der Genetik. Deren Datenmodelle lassen sich gut mit Wikibase abbilden. Ein anderes Feld sind Open Government Data. Wir arbeiten an dem Projekt, einen Wissensgraph für die EU aufzubauen. Wikibase ist vielfältig einsetzbar für alle, die eine Linked-Open-Data-Lösung out of the box möchten.
DNB-Managerin Barbara Fischer nennt
3 ARGUMENTE FÜR WIKIBASE
Wikibase hat als Open-Source-Software, die keine zusätzlichen Kosten durch Lizenzierung verursacht, drei große Vorteile für unsere Arbeit bei der Deutschen Nationalbibliothek:
BELEGBARKEIT
Das wesentliche Moment unserer Gemeinsamen Normdatei (GND) ist ihre Zuverlässigkeit. Bei Wikibase kann jede getroffene Aussage mit einem Beleg versehen werden. Das ist hilfreich, weil es transparentes Arbeiten ermöglicht. Bisher lässt sich nicht für jede Aussage innerhalb eines Datensatzes eine Angabe zur Quelle machen, sondern nur für den Datensatz insgesamt. Ebenso zeichnet jeweils eine erschließende Einrichtung jeweils für einen Datensatz verantwortlich. Wikibase bietet hier eine differenziertere Darstellungsmöglichkeit an.
SICHTBARE DYNAMIK
Wer einen Artikel aus der Wikipedia zitiert, muss das genaue Datum des Zitats angeben. Die Einwohnerzahl Berlins könnte sich ja beispielsweise schon einen Tag später wieder geändert haben. Wikibase trägt dieser Dynamik Rechnung, indem sichtbar ist, wie sich ein Datensatz verändert, wer wann was beigetragen hat. Diese Funktion ist in der Software bereits integriert.
BAUSTEIN FÜR DAS SEMANTISCHE WEB
Die Daten, die wir zur Verfügung stellen, können zum Beispiel leichter mit Wikidata verknüpft werden – weil dieselbe Software zugrunde liegt. Aber nicht nur Wikidata nutzt Wikibase. Immer mehr Einrichtungen greifen darauf zurück, um strukturierte Daten zu sammeln. Damit lässt sich peu à peu ein Daten-Ökosystem aufbauen, und wir kommen der Idee des semantischen Webs näher, das Verknüpfungen von der Bedeutung her schafft. Damit würden wir uns zunehmend unabhängig von den Such-Algorithmen großer Suchmaschinen machen.
Barbara Fischer ist Managerin für neue Kooperationen in der Arbeitsstelle für Standardisierung der Deutschen Nationalbibliothek (DNB).
Aus Sicht der DNB verbindet sich mit der Wikibase-Software die Hoffnung, der Gemeinsamen Normdatei (GND) in einer Wikibase-Datenbank einen Zweitwohnsitz geben zu können, der künftig spartenübergreifend Anwender*innen die aktive Mitarbeit erleichtert. Überzeugt vom Potenzial der Wikibase-Software führen wir in 2020 unsere Software-Evaluation weiter fort.
Frank Scholze, Generaldirektor DNB