Rund 1000 neue,
frei verfügbare Bilder der Parkanlage Sanssouci entstanden durch die KulTour in Potsdam/Grunewald.
Drohnenflüge über Babelsberg, Impressionen aus dem Weimarer Stadtschloss – immer mehr Institutionen öffnen sich der Wikimedia-Community. Wie alle Seiten davon profitieren, hat sich 2019 bei GLAM* on Tour und weiteren Aktionen bewiesen.
Es gibt für alles ein erstes Mal. Noch nie musste Holger Plickert einen 38-seitigen Genehmigungsantrag faxen. Aber es durfte zuvor eben auch noch nie eine Drohne über den Liegenschaften der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) aufsteigen und damit spektakulären Content für Wikimedia Commons generieren.
Um den Freiwilligen Raymond und Superbass die Bilder aus der Vogelperspektive zu ermöglichen, hat sich Plickert – Wikimedias Projektmanager für Kultur und Community – ein ganzes Jahr lang bemüht.
Für die Erlaubnis, das Jagdschloss Grunewald nebst Jagdzeugmagazin in Berlin sowie das Schloss Babelsberg und den Flatowturm im Park Babelsberg in Potsdam mit einer Drohne befliegen zu dürfen, mussten die SPSG, die Berliner Senatsverwaltung für Umweltschutz, die Revierförsterei, die Untere und Obere Luftfahrtbehörde Berlin-Brandenburg und schließlich noch das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung ihr Okay geben. Im Grunewald befindet sich ein Forschungsreaktor, der gerade stillgelegt wird. Das Gebiet ist Hochsicherheitszone.
Viel Aufwand für 20 Minuten pure Flugzeit. Eine Reihe von Wikimedia-Teams waren involviert, „alle in der Geschäftsstelle haben mitgezogen“, betont Plickert. Dass sich die Mühen in jeder Hinsicht gelohnt haben, steht für ihn außer Frage. Ebenso, dass ein solches Projekt nicht ohne das Entgegenkommen der SPSG, mit der Wikimedia bereits seit 2015 kooperiert, möglich gewesen wäre.
Bei der „Wikipedianischen KulTour im Park Sanssouci“ mit 20 Freiwilligen (die im Juni 2019 einen Tag nach dem Drohnenflug stattfand) hat sich einmal mehr gezeigt, dass gerade spontan oft Türen aufgehen. „Die Schlossbereichsleitung hat es einem Freiwilligen ermöglicht, vom Dach der Römischen Bäder im Park Sanssouci eine 360-Grad-Panorama-Aufnahme zu machen“, erzählt Plickert. Ein echtes Highlight.
Dass auch die Schlösserstiftung von frei zugänglichen, hochwertigen Aufnahmen ihres Kulturerbes profitiert, liegt auf der Hand. „Sie bieten einen neuen, bisher unbekannten Blick auf die Schlösser und Baudenkmale“, so Jörg Kirschstein, Schlossbereichsleiter von Schloss Babelsberg. Die Kooperation mit Wikimedia würde auch den nicht so populären Liegenschaften der SPSG „zu einem höheren Bekanntheitsgrad“ verhelfen.
„Die Institutionen öffnen sich zunehmend“, stellt auch Wikipedianer Raymond fest. Aktuelles Beispiel: die Klassik Stiftung Weimar. In der thüringischen Kulturhochburg fand im September 2019 die jüngste Station von GLAM on Tour statt – im Kontext des Jubiläums „100 Jahre Bauhaus“.
Dank der neuen Kooperation mit der Klassik Stiftung Weimar durfte auch hier eine Drohne aufsteigen – und Panoramabilder vom Park an der Ilm, dem Stadtschloss Weimar sowie dem „Haus am Horn“ machen, das 1923 zur Bauhaus-Ausstellung errichtet wurde (wobei für Letzteres eine Sondergenehmigung des Bauhaus-Archivs Berlin nötig war, die Rechte des Künstlers Georg Muche wahrt). Über dieses Musterhaus ist in der Folge auch ein Wikipedia-Artikel erschienen, der mit dem Prädikat „lesenswert“ ausgezeichnet wurde.
Ergiebig war diese GLAM-Station aber auch für die Wikimedia-Verantwortlichen selbst – weil sich unterwegs eine Menge spannender Rechtsfragen auftaten. Etwa bezüglich des Markenrechts wie im Falle der berühmten Bauhaus-Wiege oder im neu eröffneten Bauhaus-Museum Weimar: Dort liegen die Bildrechte für den Innenraum komplett bei der Architektin. „Obwohl der Bau mit öffentlichen Geldern finanziert wurde“, wie Plickert betont.
Am Entgegenkommen der Klassik Stiftung Weimar jedenfalls scheiterte nichts: 360-Grad-Aufnahmen in der Anna-Amalia-Bibliothek waren ebenso möglich wie Innenraum-Bilder des Stadtschlosses – obwohl es sich gerade in Renovierung befindet. „Das zeigt die enorme Wertschätzung, die wir als Wikipedianer bekommen“ (Autor BotBln).
Benjamin Grau, Referent Online-Kommunikation der Stiftung Klassik, verspricht: „Das war nur der Beginn der Kooperation.“
*GLAM = Galleries, Libraries, Archives and Museums; dt.: Galerien, Bibliotheken, Archive und Museen
Die Kooperation mit Wikimedia eröffnet uns die Chance, Menschen nicht nur zum Bewundern, sondern auch zum aktiven Mittun einzuladen. Es geht um ‚Barrierefreiheit’ im Sinne von Teilhabe für alle. Wir hoffen und wünschen, dass die freie Verfügbarkeit von Kultur dazu anstiftet, sich mit dieser auseinanderzusetzen.
Prof. Dr. Christoph Martin Vogtherr, Generaldirektor Stiftung Preußische Schlösser und Gärten
Wir profitieren als Enzyklopädie und ich denke, die Institutionen profitieren auch von uns.
Wuselig, Wikipedia-Autor
Die Stiftung ist der meinung, dass diese großartigen Kunstwerke, die von der Stiftung verwahrt werden für Generationen, allen Menschen gehören, dass alle Besucher, die vielleicht nicht die gelegenheit haben, die Schlösser vor Ort zu besuchen, die Möglichkeit bekommen, die Kunstwerke auch im Netz anzuschauen und etwas über die Kunstwerke, über die Schlösser, über die Gärten zu erfahren.
Dr. Carsten Dilba, Wissenschaftlicher Redakteur Stiftung Preußische Schlösser und Gärten
Coding da Vinci, der 2015 von Wikimedia Deutschland mitbegründete Hackathon rund um offene Kulturdaten, wird mit der Einrichtung einer neuen Geschäftsstelle verstetigt und in den Jahren 2019 bis 2022 durch die Kulturstiftung des Bundes (KSB) mit 1,2 Millionen Euro gefördert. Mehr Informationen im Blogbeitrag.